Speicher leitet sich ab vom lateinischen spicarium. Spica ist die Ähre. Ein Speicher ist also das Vorratsbehältnis für Korn. Der Speicher dient demnach der Vorratshaltung. Der Speicher dient der Sicherstellung der Ernährung für eine Zeit, wo nichts wächst.
Speichern: Aufnehmen und Auscheiden findet ontogenetisch ihr auf den menschlichen Körper bezogenes Vorbild in der Aufnahme von Nahrung und der Ausscheidung der Reste. Sammeln, Speichern, hat es mit einem aufgeschobenen Verdauungsprozeß zu tun, ist auch eine Regression, Wunsch nach Bemächtigung, nach Ergänzung dessen, was fehlt, Vermeidung von Leere, unerfüllbare Sehnsucht nach dauerhafter Schließung der Öffnung, nach dem Ganzen. Die Vorratshaltung beugt gegen den Tod im Winter vor. Schon das ist eine große Leistung: Verzicht auf die Unmittelbarkeit der Befriedigung. Ein geringeres Maß an Befriedigung im Sommer unter Umständen in Kauf nehmen, um den Winter zu überleben. Steigerung: Gleichmäßiges Überleben.
Schon dazu mußten die gesammelten und aufgehobenen Nahrungsmittel behandelt werden. Sie wurden in eine Art konservierenden Schlaf überführt, um dann zur Zeit geweckt, aufgeweckt zu werden (Weckgläser?). Mit der allmählichen Ablösung des Lebens überhaupt von den alltäglichen wie jährlichen Naturzyklen geht dann eine Sammlertätigkeit und Vorratshaltung einher, die bei weitem nicht mehr auf die Nahrungsmittel beschränkt bleibt. Der ausreichende Vorrat an Geld, Kredit, Kapital, Produktivkraft erst ermöglicht die Existenz, verleiht so etwas wie Identität.
Karl-Josef Pazzini
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