Dieses Projekt ist eine Initiative des Frauenmuseums Hittisau, der Inatura Dornbirn, des Jüdischen Museums Hohenems, des Stadtmuseums Dornbirn, des vorarlberg museums und von museumdenken vorarlberg – www.museumdenken.eu
Steht unsere Demokratie vor dem Aus oder kann sie noch gerettet werden? Droht sie zwischen Populismus und Identitätspolitik zerrieben zu werden? Gehen wir noch wählen, um wirklich mitzuentscheiden, oder nur noch, um unseren Unmut zu zeigen? Oder bleiben wir gleich ganz zu Hause und warten auf das Unvermeidliche?
Wir sind keine stillen Beobachter, sondern aktive öffentliche Orte des Dialogs. Hier werden Ideen, Wahrnehmungen und Kontroversenverhandelt – und dabei geht es um mehr als nur Meinungen. Wir präsentieren Realitäten.
Wir durchforsten unsere Sammlungen und suchen nach Objekten, die das Wesen der Demokratie verkörpern: Vielfalt, Konsensfindung, Pluralismus, Respekt für Regeln, Pressefreiheit und Rechte von Minderheiten. Ebenso zeigen wir, was wir nur gemeinsam erreichen können: Zusammenleben, gegenseitige Anerkennung, Schutz unserer Umwelt und das Interesse am Fremden.
In unseren Museen schaffen wir Raum für diese Themen – in Boxen, die darauf warten, gefüllt zu werden.
Besuchen Sie uns und entdecken Sie, was unsere Demokratie zusammenhält.
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Die Beiträge der einzelnen Institutionen befassen sich mit Objekten aus der jeweiligen Sammlung und machen ihren Bezug zum Thema "Demokratie" sichtbar.
Hier finden Sie in Kürze den Text zum Objekt aus der Sammlung des Frauenmuseums Hittisau.
Wissen besitzt die wunderbare Eigenschaft, sich zu vermehren, wenn es geteilt wird. Wissen, das auf dem aktuellsten Stand der Forschung ist, Wissen, das nicht nur unter den einzelnen Fachexperten ausgetauscht wird, sondern interdisziplinär zu neuen Erkenntnissen und Lösungen in einer immer komplexeren Welt führen kann. Dieser Gedanke bildet einHerzstück einer demokratischen Haltung: das Streben danach, Wissen allen Menschen zugänglich zu machen.
Naturkundliche Museen wie die inatura übernehmen dabei eine wichtige Rolle. Wir verstehen uns als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Unser Beitrag zur Intervention „Demokratie in der Box“ soll zeigen, wie bedeutend es ist, dass sich alle an der Verbreitung und Nutzung von Wissen beteiligen.
Durch unsere Ausstellungen, Veranstaltungen aber auch Citizen Science schaffen wir eine tragende Basis, die es jedem ermöglicht, aktiv teilzuhaben und zum kollektiven Verständnis unserer Welt beizutragen. So wird Wissen nicht nur geteilt, sondern auch gemeinsam erweitert – eine grundlegende Voraussetzung für eine lebendige und inklusive Demokratie.
Zwischen den Hohenemser Heimatscheinen von Martin Lazarus Reichenbach (1863) und Michael Emil Mayer (1881) liegen entscheidende Veränderungen der Situation der jüdischen Minderheit in Hohenems: 1863 existierte in Hohenems eine eigene politische Judengemeinde, die freilich mit vielen Benachteiligungen verbunden war. Jüdinnen*Juden zahlten deutlich höhere Steuern als die Bürger*innen der Christengemeinde und sie waren von der Nutzung des Gemeindebesitzes an Wald und Wiesen, wie auch von den wesentlichen politischen Entscheidungen ausgeschlossen. Dafür durften sie ihren eigenen „Bürgermeister“ wählen.
1867 wurden Jüdinnen*Juden in Österreich mit der neuen Verfassung, dem Staatsgrundgesetz, formell gleichberechtigt. Doch ihre Gleichberechtigung in Hohenems mussten sie durch alle Instanzen bis zum Höchstgericht erkämpfen. Erst 1878 wurden nach langem Streit beide Hohenemser Ortsgemeinden – die jüdische und die christliche – vereinigt. In den folgenden Jahren nahm auch in Hohenems antisemitische Agitation zu. Die letzten jüdischen Gemeinderäte zogen sich resigniert aus der Hohenemser Politik zurück.
Die Besitzer der Heimatscheine verließen Hohenems: Martin Lazarus Reichenbach wanderte nach St. Gallen aus, Michael Emil Mayer zunächst nach Barcelona, dann nach Nürnberg.
Auch heute ist fast ein Fünftel der Menschen in Österreich, die über 16 Jahre alt sind, von der politischen Mitverantwortung durch Wahlen entweder teilweise oder vollständig ausgeschlossen.
Holz, 1920er Jahre, womöglich Joseph Gaudl nach einem Entwurf von Wilhelm Braun
Museologisch gehören Wahlurnen in die Gruppe derSicherheitsbehältnisse. Versperrbar und nur mit engem Öffnungsschlitz versehen, symbolisieren sie geradezu persönliche, geheime und freie Abstimmungen. In einigen Staaten, Frankreich z. B., müssen Wahlurnen sogar transparent sein – vor der Stimmabgabe für alle sichtbar leer.
Diese Urne befand sich im Sitzungssaal des Alten Dornbirner Rathauses. Ab 1963 trat der Stadtrat im neuen Rathaus (errichtet 1938–1941/42) zusammen und wünschte sich „eine neue zur Einrichtung passende Wahlurne“ fürschriftliche Abstimmungen (Stadtrat, 1.4.1963). Das ausgemusterte Gefäß in Eiche rustikal fand 2017 ins Stadtmuseum.
Wählen – eine mühsame Pflichtübung?
Vor 1908 bzw. 1918 wäre ein Gutteil von uns gar nicht wahlberechtigt gewesen: Weil wir nicht zu den Hausbesitzern gehörten, kürzlich zugereist, weiblich oder unter 24 waren. An den Nationalratswahlen am 29.9.2024 dürfen rund 19 % der österreichischen Bevölkerung über 16 Jahre nicht teilnehmen. Alle anderen sollte das Recht, demokratisch zu wählen eigentlich glücklich machen.
Holzmodell, vor 1988, gebaut von Schüler:innen der Hauptschule Dornbirn-Baumgarten unter Anleitung von Dietmar Gfrerer (1953–2022)
Urkundlich belegt stand in Dornbirn jedenfalls seit um 1470 ein Tanzhaus – zentral, bei der Kirche St. Martin. Dort, unter den Augen der Öffentlichkeit, war Tanzen erlaubt. Hausierer durften sich unterstellen und ihre Waren anbieten. Versammlungen fanden in der Holzlaube statt und politische oder gerichtliche Verlautbarungen wurden verkündet. Federführend war hier der auf zwei Jahre durch Zulauf gewählte Ammann.
Gewählt durch Zulauf?
Drei, vier Kandidaten, vorgeschlagen vom scheidenden Ammann und vom Vogt in Feldkirch zugelassen, stellten sich am Marktplatz auf, dann liefen die Wähler ihrem Favoriten zu. Wahlberechtigt waren ausschließlich Hausbesitzer. Frauen, Besitzlose und Leibeigene durften nicht wählen. Als Bürgermeister, oberste Verwaltungsbeamte und zugleich Richter waren die Ammänner bis 1849 extrem mächtig und einflussreich. In Dornbirn rekrutierten sie sich über Jahrhunderte aus einigen wenigen wohlhabender Familien.
Die Verfassung von 1934 war das Werk einesDemokraten, der von der Demokratie enttäuscht war: Otto Ender (1875–1960) war Vorarlberger Landeshauptmann (1918–1934) und Bundeskanzler (1930–1931). Er hatte selbst bei seinen politischen Gegnern einen guten Ruf als Demokrat.
Als Minister für die Verfassungs- und Verwaltungsreform (1933–1934) und Mitverfasser und Redakteur der Verfassung imJahr 1934 war er an der Zerstörung der Demokratie in Österreich beteiligt. Wie konnte es dazu kommen?
Im Juni 1931 war Ender nach einem halben Jahr als Bundeskanzler zurückgetreten. Seine Regierung scheiterte, weil ein Minister die Staatshaftung für eine notleidende Großbank nicht mittragen wollte. Ender bot in dieser Krise eine neuerliche Regierungsbildung an, allerdings nur unter der Bedingung, dass ihm das Parlament außerordentliche Befugnisse zurBewältigung der Wirtschaftskrise zugebilligt hätte. Das lehnte die Opposition ab.
Diese Entwicklung und das Erstarken des Nationalsozialismus führte bei Ender zur Meinung, das Volk sei nicht reif genug für die Demokratie. Die Folge war, dass er den autoritären Kurs und Staatsstreich des Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß und dessen Regierung unterstützte und den Auftrag übernahm, eine entsprechende Verwaltungs- und Verfassungsreform vorzubereiten.
Das Porträt Das Porträt Otto Enders von Bodeslaw von Czedekowski entstand zehn Jahre später, im Jahr 1944. Zu diesemZeitpunkt lebte Ender – nach einer halbjährigen Haft im Jahr 1938 mit einem Gauverbot belegt – in Wien und wartete auf das Kriegsende und die Befreiung durch die Alliierten. Nach dem Kriegsende lebte er in Bregenz. Ein politischesAmt übernahm er nicht mehr.
Wer durfte nach der österreichischen Verfassung von 1934 wählen?
Die neue Verfassung vom 1. Mai 1934 besiegelte das Ende der Demokratie in der Ersten Republik. Artikel 1 in der Bundesverfassung von 1920 bestimmte:„Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“
Die Präambel der neuen Verfassung sagte dagegen: „Im Namen Gottes, desAllmächtigen, von dem alles Recht ausgeht, erhält das österreichische Volk für seinen christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage diese Verfassung.“
Die neue Verfassung sah also Wahlen durch das Volk nicht mehr vor. Der Landeshauptmann wurde nicht mehr vom Landtag gewählt, sondern vom Bundespräsidenten unter Gegenzeichnung des Bundeskanzlers aus einem Dreiervorschlag des Landtages ernannt und konnte jederzeit wieder abberufen werden. Die Landtagsmitglieder wurden nicht mehr gewählt, sondern vom Landeshauptmann ernannt.
Auf Wahlen wurde dennoch nicht ganz verzichtet: Der Bundespräsident, der seinerseits den Bundeskanzler ernannte, wurde zwar gewählt, aber nicht vom Volk, sondern von den Bürgermeistern aller Ortsgemeinden des Bundesgebietes in Form eines Dreiervorschlages der Bundesversammlung und in geheimer Abstimmung gewählt. Die Bürgermeister wurden wiederum von den Gemeindetagen gewählt, die ihrerseits vom Landeshauptmann ernannt wurden.
Auch Volksabstimmungen sollten möglich sein. Aber nicht solche, die das Volk forderte: Nur die Regierung konnte an das Volk appellieren und entweder über Gesetzesentwürfe abstimmen lassen oder die Auffassung des Volkes zu einem Gesetzesentwurf erkunden.
(1) In den Staatsrat beruft der Bundespräsident auf die Dauer von zehn Jahren verdiente, charaktervolle Bundesbürger, von denen nach ihrem bisherigen Verhalten und nach ihren bisherigen Leistungen volles Verständnis für dieBedürfnisse und für die Aufgaben des Staates zu erwarten ist.
(2) Berufungen in den Staatsrat bedürfen keines Vorschlages der Bundesregierung, wohl aber der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers.
(1) Der Bundestag besteht aus 20 Abgeordneten des Staatsrates, 10 Abgeordneten des Bundeskulturrates, 20 Abgeordneten des Bundeswirtschaftsrates und neun Abgeordneten des Länderrates.
(2) Die Abgeordneten des Staatsrates, des Bundeskulturrates und des Bundeswirtschaftsrates werden von diesen Organen nach den Bestimmungen des Geschäftsordnungsgesetzes aus ihrer Mitte gewählt.
(1) Der Bundespräsident ernennt auf Vorschlag und mit Gegenzeichnung des Bundeskanzlers den Vorsitzenden des Staatsrates und zwei Stellvertreter aus dessen Mitte.
(2) Der Bundeskulturrat und der Bundeswirtschaftsrat wählen aus ihrer Mitte den Vorsitzenden und zwei Stellvertreter. Diese Wahlen bedürfen der Bestätigung durch den Bundespräsidenten. Die Bestätigung erfolgt auf Vorschlag und mit Gegenzeichnung des Bundeskanzlers.
(1) Der Bundespräsident wird von den Bürgermeistern aller Ortsgemeinden des Bundesgebietes auf Grund eines Dreiervorschlages der Bundesversammlung in geheimer Abstimmung gewählt.
(1) Der Bundeskanzler und auf seinen Vorschlag die übrigen Mitglieder der Bundesregierung werden vom Bundespräsidenten ernannt.
(1) Zur Vertretung des Landes ist der Landeshauptmann berufen.
(2) Die Verwaltung in den Ländern obliegt, soweit sie nicht durch eigene Bundesbehörden (Artikel 120) oder nach den Gesetzen durch Selbstverwaltungskörper unter der Aufsicht des Bundes oder des Landes besorgt wird, in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes dem Landeshauptmann, in den Angelegenheiten der Vollziehung des Landes der Landesregierung und in beiden Fällen den dem Landeshauptmann unterstellten Landesbehörden.
(3) Die Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann, dem Landesstatthalter (Landeshauptmannstellvertreter) und höchstens fünf weiteren Mitgliedern (Landesräten).
(4) Der Landeshauptmann wird vom Bundespräsidenten auf Grund von Dreiervorschlägen des Landtages ernannt. Die Ernennung ist vom Bundeskanzler gegenzuzeichnen. Der Landeshauptmann kann vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundeskanzlers und mit dessen Gegenzeichnung abberufen werden. Der Bundespräsident hat den Landeshauptmann abzuberufen, wenn es der Landtag verlangt.
(1) Die Organe der Ortsgemeinden sind der Gemeindetag und der Bürgermeister. Durch Landesgesetz kann dem Bürgermeister ein Gemeinderat an die Seite gegeben werden, der aus höchstens fünf Mitgliedern (Gemeinderäten) bestehen darf. Diese Gemeinderäte (Stadträte) werden vom Gemeindetag aus seinen Mitgliedern (Gemeindevertretern) gewählt. Ihr Wirkungskreis wird durch Landesgesetz bestimmt.
(2) Dem Bürgermeister untersteht das Gemeindeamt. Die Leiter der Gemeindeämter von Gemeinden über 10.000 Einwohnern müssen rechtskundige Verwaltungsbeamte sein; ihre Bestellung bedarf der Genehmigung der Landesregierung; die Genehmigung kann widerrufen werden.
(1) In Ortsgemeinden, in denen die Gliederung der Bevölkerung es zuläßt, besteht der Gemeindetag aus Vertretern von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, des Schul-, Erziehungs- und Volksbildungswesens, der Wissenschaft und der Kunst sowie aus Vertretern der Berufsstände in der Gemeinde.
(2) Für Ortsgemeinden, bei denen die Gliederung der Bevölkerung eine solche Zusammensetzung des Gemeindetages nicht zuläßt, regelt die Landesgesetzgebung die Bestellung des Gemeindetages in möglichster Anlehnung an die Bestimmung des Absatzes 1.
(1) Der Gemeindetag wählt den Bürgermeister.
Und aus dem Verfassungsüberleitungsgesetz 1934 (Verfassungsgesetz vom 19. Juni 1934 betreffend den Übergang zur ständischen Verfassung)
(1) Solange die im Artikel 108 Absatz 4 der Verfassung 1934 vorgesehenen landesgesetzliche Regelung nicht erfolgt ist, gelten die folgenden Bestimmungen:
1. Die Mitglieder der Landtage werden unter Beachtung der im Artikel 108 der Verfassung 1934 für die Landesgesetzgebung aufgestellten Grundsätze nach Einholung gutachtlicher Äußerungen kultureller Gemeinschaften und nach Einholung von Vorschlägen der Vaterländischen Front, die nach Fühlungnahme mit beruflichen Organisationen im Lande zu erstatten sind, sowie nach Anhörung der übrigen Mitglieder der Landesregierung vom Landeshauptmann ernannt.
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