Die Kunstvermittlung wird oft einer bestimmten Abteilung von Kunstinstitutionen zugerechnet. Dabei wird das Ausmaß unterschätzt, in dem Kunstinstitutionens elbst schon pädagogische Institutionen sind, die der Bevölkerung unteranderem National-, Klassen- oder Politkultur ... vermitteln. Die Kunstvermittlung im engeren Sinn ist dabei nur ein kleiner Ausschnitt jener allgemeinen institutionellen National-, Klassen- und Politvermittlung, die die Institution als Ganze leistet. Auf diese Weise, d. h. durch institutionalisierte Diskurse, werden Identitäten oder Subjektformen (nationale, geschlechtliche, koloniale etc.) konstruiert, reproduziert und in Umlauf gehalten.
Dass viele Kunstinstitutionen sich also eine eigene Vermittlungsabteilungen leisten, verdeckt nur die Tatsache, dass die Institution selbst eine große Vermittlungsabteilung ist. Die Arbeit der eigentlichen Kunstvermittlung präsentiert nur einen kleinen Ausschnitt der in Institutionen materialisierten Diskurse. Auch wenn die in den Museen und Kunsthallen werkenden Kunstpädagogen und -pädagoginnen – nennen wir sie, einfach guides – sich selbst und ihren höheren Auftrag anders imaginieren mögen, sind sie doch Teil der Institution, die selbst als komplexes Agglomerat aus diskursiven Praktiken betrachtet werden muss. Führungen oder noch so harmlos scheinende Kreativspielchen, die vielleicht mit Schulkindern getrieben werden, sind zuallererst Teil dieser allgemeinen Diskurse und Praktiken, die die Institution selbst ausmachen.
Oliver Marchart: Die Institution spricht, in: Jaschke, Beatrice; Martinz-Turek, Charlotte; Sternfeld, Nora (Hgs.): schnittpunkt. Wer spricht? Autorität und Autorschaft in Ausstellungen. Ausstellungstheorie & praxis 1. Turia + Kant: Wien 2005, S. 34–58.
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