Der Erfinder der Psychoanalyse war ein leidenschaftlicher Sammler antiker Kunstgegenstände ägyptischer, griechischer, römischer und nahöstlicher Provenienz.
Sein Arbeitszimmer und sein Behandlungsraum waren damit vollgestopft, und auf seinem Schreibtisch stand ihm wie ein schweigendes Auditorium eine dichte Schar von Statuetten gegenüber.
Als er 1938 Wien für sein letztes Lebensjahr im Londoner Exil verließ, gelang es ihm nach langem Bangen, von den Nazibehörden die Erlaubnis zu erwirken, seine Sammlung vollständig mit sich zu führen.
Freuds Sammelstücke waren ihm höchste „Erquickung“, wobei er nie verhohlen hat, daß psychoanalytisch gesehen das Sammeln auf frühkindliche Erotik zurückgeht. Passenderweise hieß der Wiener Antiquitätenhändler, der Freud die meisten Objekte besorgte, Lustig. Immer wieder hat Freud aber auch auf die Ähnlichkeit des archäologischen Verfahrens mit seiner Methode hingewiesen und diese wiederum auf die Analyse von Kunstwerken und Künstlern angewandt (Michelangelo, Leonardo).
Die Anfänge der Freudschen Sammlung sind aus dem Museumsshop: 1896 erwarb er nach dem Tod seines Vaters in Florenz Druckreproduktionen von Kunstwerken und einige Gipsabgüsse, darunter Michelangelos „Sterbenden Sklaven“. Ein Jahrzehnt später konnte er sich dann „echte“, das heißt antike Objekte leisten, die aber auch oft bereits Kopien früherer Originale waren .
Doch bis zuletzt schmückte ein moderner Abguß des Reliefs der „Gradiva“ die Wand seines Behandlungszimmers. Ein solcher Abguß hatte in der von Freud zum Beweis der Analogie von psychoanalytischen und dichterischem Wissen aufgegriffenen Erzählung Jensens die archäologische Träumerei seines Helden ausgelöst.
Jutta Prasse
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