Mutig Position beziehen
Die Demokratiebildung in Museen voranbringen: Das ist das Ziel eines neuen Forschungsprojekts an der Universität Würzburg. Verantwortlich dafür ist die Professur für Museologie.
Sie wollen nicht nur in Unterfranken, nicht nur in Bayern, ja nicht nur in Westdeutschland forschen: Museologinnen und Museologen der Uni Würzburg fahnden bundesweit nach Museen, die direkt oder indirekt Aspekte rund um das Thema „Demokratie“ vermitteln. Dies tun sie seit Mai im DFG-Projekt „Cultural Dynamics: Museums and Democracy in Motion“. Das Team arbeitet mit Susannah Eckersley, Senior Lecturer in Media-Culture-Heritage, und Tadek Wojtych, Postdoktorand, an der Universität Newcastle, zusammen.
Museen sollten sich für demokratische Belange einsetzen
Museen gewähren Einblicke in das Leben einstiger Völker, zum Beispiel der Kelten, sie informieren über Kulturgeschichtliches wie Trachten oder zeichnen die Entwicklung vom Laufrad zum E-Bike nach. Doch sie können und sollen mehr sein als Orte der Schöngeistigkeit. „Museen sollten sich stärker für demokratische Belange einsetzen“, wünscht sich Guido Fackler, Leiter der Würzburger Professur für Museologie sowie des DFG-Projekts auf deutscher Seite. Projektmitarbeiterin Carla-Marinka Schorr stimmt ihm zu: „Museen existieren nicht völlig unabhängig von dem, was politisch passiert, sie sind im Gegenteil verpflichtet, sich zu positionieren.“
Dass sie in den kommenden drei Jahren Gedanken zu einem Thema entwickeln darf, das sie als gesellschaftlich höchst brisant einschätzt, freut die 31-Jährige sehr. In Museen, findet sie, könnte für Besucher erlebbar werden, was freiheitlich-demokratische Grundwerte ganz konkret im Alltag bedeuten. Carla-Marinka Schorr denkt zum Beispiel an die Ausstellung „Berlin Global“ im Berliner Humboldt Forum, die das Projektteam zum Auftakt von „Cultural Dynamics: Museums and Democracy in Motion“ besucht hat. Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Diversität heutiger Lebensweisen. Sie zeigt, wie wichtig es ist, Vielfalt in Freiheit ausleben zu dürfen, so die junge Museologin.
Spannender Austausch über Grenzen hinweg
Als spannend empfinden es die Projektbeteiligten aus Würzburg, zusammen mit Forscherinnen und Forschern aus einem anderen Land über die Funktion der Museen in der heutigen Gesellschaft zu reflektieren. Dabei tauchten bereits deutliche Unterschiede auf. „Englische Museen sind viel klarer besucherzentriert“, so Guido Fackler. Das Thema „Inklusion“ spiele dort schon lange eine große Rolle: „Bei uns ist dies erst seit etwa 15 Jahren der Fall.“ Inklusion bedeutet letztlich die Akzeptanz von Vielfalt. Dies wiederum ist ein wichtiger demokratischer Wert. Das lernten Studierende in diesem Sommersemester in einem Seminar von Carla-Marinka Schorr und Projektmitarbeiterin Christine Eiche.
Vielfalt akzeptieren, bedeutet unter anderem auch, zu tolerieren, dass manche Menschen eine Gegenmeinung zu einer vorherrschenden Ansicht oder dass sie eine andere als die übliche Haltung haben. Mit solchen Herausforderungen setzten sich in den vergangenen Wochen 17 Studentinnen und Studenten innerhalb des Projekts unter Anleitung von Carla-Marinka Schorr und Christine Eiche auseinander. „Neuere Geschichte und Demokratie ausstellen" nannte sich das Seminar. Es zeichnete sich dadurch aus, dass ganz neue Vermittlungsformate ausprobiert wurden. „Wir erarbeiteten uns Inhalte zum Beispiel mit Rollenspielen“, so Carla-Marinka Schorr.
Ein Online-Tool für Ausstellungsmacher
Die Tatsache, dass sich inzwischen immer mehr Museen mit der einstigen Kolonialpolitik auseinandersetzen, verweist laut Guido Fackler auf die längst begonnene „Neuverortung“ der Museen in Deutschland. „Immer mehr Museen erkennen, dass sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen müssen“, so der Professor. Oft fehlten jedoch noch Ideen, wie durch Ausstellungen zumindest indirekt demokratische Bildung vermittelt werden kann. Bis zum Ende des Projekts im Mai 2026 soll deshalb ein Online-Tool-Kit für Ausstellungsmacher entstehen. Das Projektteam wird hierzu unter anderem Ausstellungen auf ihre Wirkung hin analysieren.
Wissen darf nicht überfallsartig aufgedrängt werden. Ausstellungen sollten nicht „von oben herab“ belehrend sein. Partizipation ist heutzutage wichtig. Das haben inzwischen viele Museen verstanden. Das Projektteam stieß denn auch bereits auf pfiffige Ideen zur Demokratievermittlung. Guido Fackler sah kürzlich zum Beispiel eine Ausstellung im Berliner Futurium, in die eine figürliche Allegorie der „Demokratie“ integriert war. Die Figur erzählte Besuchern von sich – also von Demokratie: „Nur war der Bildschirm, auf dem man sie sah, zu klein.“ Dies schmälerte die Wirkung dieser guten Idee: „Die Figur hätte auch in einer Größe von 1,80 Meter bestens funktioniert.“
Alternative Geschichtsverläufe
Die Gemüter entzündeten sich im Laufe der Geschichte immer wieder an politischen Vorgängen, die Historie ist voll von Konflikten, Vor- und Rückschritten. Zu jedem einzelnen Zeitpunkt hätten die Weichen völlig anders gestellt werden können. Unter der Überschrift „Roads not Taken“ wurde diese Idee vom Deutschen Historischen Museum aufgegriffen. Eine entsprechende Ausstellung ist dort noch bis November 2024 zu sehen. „Der Plot ist toll“, schwärmt Guido Fackler. Allerdings sei die Umsetzung zu konventionell: „Man hätte Besucher einbeziehen und fragen können, was sie denn denken, was passiert wäre, wäre dies oder jenes anders verlaufen.“
Kontakt: Prof. Dr. Guido Fackler, Professur für Museologie, +49 931 31-85607, guido.fackler@uni-wuerzburg.de
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