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Wir brauchen die Archive, um den Vergleich herzustellen zwischen dem, was früher war, und dem, was heute ist oder vielleicht morgen sein wird. Daher hat die historische Dynamik der Moderne vor allem im Archiv ihren Ursprung und ihren Motor. Die sogenannten „kalten Kulturen", wie Levi-Strauss sie genannt hat, d.h. Kulturen ohne historische Dynamik, sind weitgehend auch Kulturen ohne Archive, zumindest ohne schriftliche Archive. Diese ermöglichen erst einen solchen Vergleich. Wenn wir über die Zukunft der Archive sprechen, sollen wir also nicht vergessen, daß wir überhaupt nicht über die Zukunft sprechen könnten, hätten wir über diese Archive nicht verfügt. (...) Alles, was über uns archiviert wird, kann gegen uns verwendet werden. Das ist eine bekannte Einsicht. Es handelt sich im Grunde um das Fortwirken - unter den Bedingungen der sakularen Kultur - der alten Angst vor dem unendlichen Archiv, vor dem unendlichen Gedächtnis Gottes, vor dem Jüngsten Gericht. Daher die Freude über die Endlichkeit unserer kulturellen Archive, über das Ende unserer Archive. Das unendliche Gedächtnis Gottes bedroht uns und verspricht uns die Verurteilung und Strafe beim Jüngsten Gericht, d.h. ein unendliches Gefängnis, aus dem es kein Entrinnen gibt. Bei Nietzsche kann man nachlesen, da§ der Grund für unseren Atheismus im Unwillen liegt, einen unendlichen Betrachter unserer Selbst zuzulassen und das Urteil dieses Betrachters über uns zu ertragen.

Groys, Boris: Die Zukunft der Archive. Auszug aus einem Vortrag bei den Wiener Kolloquien Kulturwissenschaften am 12. Dezember 1996 in Wien. In: news. Mitteilungen des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften. 1/97, S. 24-27.

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