Von lat.: abiectus = niedrig, gemein, verworfen, nachlässig hingeworfen
Julia Kristeva entwickelt 1980 in Pouvoirs de l’horreur. Essai sur l’abjection die Grundlagen für den in Psychoanalyse, Kulturwissenschaften und Gender Studies gleichermaßen relevanten Begriff der Abjektion, dessen Konzeption sie auf Sigmund Freuds Schriften zu Angst, Phobie und Psychosen zurückführt. Unter Abjekt versteht sie zunächst alles, was in einem Menschen Ekel und Aversion hervorrufen kann: Aas, Leichen, Eiter, Ekel vor bestimmten Lebensmitteln wie z.B. der Haut der Milch und ähnliches mehr. Phobien vor Mäusen oder Spinnen sind prototypische Beispiele, die zeigen, dass das Abjekte nicht den Status eines Objekts einnimmt, sondern das Ich mit seinen Grenzen und seinen Ängsten konfrontiert und ihm vor Augen führt, dass das Leben immer schon vom Tode infiziert ist. Narzissmus wird in der Begegnung mit Abjekten momentan ausgeschaltet.
In einer aus Psychoanalyse und Gender-Studien angeregten Filmtheorie wird die psychoökonomische Funktion des Abjekten oft in Verbindung gebracht zur Darstellung von Gewalt, Folter, Verstümmelung, Vergewaltigung und dergleichen, in der Annahme, dass sich in der kunstvermittelten Konfrontation von Zuschauern und als abjekt gesetzten Gegenständen eine Auseinandersetzung mit Verdrängtem und Verworfenem, Bedrohlichem und unzulässig Ersehntem einstelle.
Literatur: Kristeva, Julia: Pouvoirs de l’horreur. Essai sur l’abjection. Paris: Seuil 1980. 2. Aufl. 1983. Engl.: Powers of horror. An essay on abjection. New York: Columbia University Press 1982.
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